Brillen mit Lupen und Fernrohren
Rathenower Firma Obrira Low Vision hat sich mit zwei Spezialsortimenten auf dem Markt gut platziert
RATHENOW – Für Menschen, die weniger als 30 Prozent des normalen Sehvermögens haben, sind herkömmliche Brillen meist wenig hilfreich, mögen deren Gläser auch noch so stark sein. In solchen Fällen werden meist Fernrohrlupenbrillen verwendet. Das sind spezielle Linsensysteme, die wie kleine Fernrohre aussehen und in Brillengestelle eingesetzt werden. Bei rund 30 Prozent der Patienten gibt es eine Lösung für beide Augen, bei 70 Prozent von ihnen ist ein Auge schon so schwach, dass die Sehhilfe nur beim anderen Auge noch was nützt.
In eben diesem Segment der Fernrohrlupenbrillen hat es die Firma Obrira – Low Vision Rathenow (Low Vision = schwaches Sehen) geschafft, sich auf dem deutschen Markt zu behaupten, wo es neben den Rathenowern nur noch drei weitere Anbieter gab und gibt. Am 1. Juni 1992, also vor 20 Jahren, ist das Unternehmen gegründet worden. Zunächst hatte es seine Räumlichkeiten in der Paracelsusstraße 7.
„Wir haben angefangen mit einem DDR-System“, sagt Obrira-Geschäftsführer André Schwolow (40 Jahre), „das eine Entwicklung von Carl Zeiss Jena war.“ Es hatte eine 1,8-fache Vergrößerung. In den Jahren nach der Gründung habe Obrira dann noch zwei weitere Systeme entwickelt und produziert. Eines mit 2,5-facher Vergrößerung brachte die Firma 1994 zur Marktreife und eines mit 2,1-facher Vergrößerung folgte 1996. André Schwolow resümiert: „Damit haben wir die Grenzen von Fernrohrlupenbrillen Galileischer Bauart nahezu erreicht.“ Diese seien bis heute das Kerngeschäft von Obrira.
Als zweites Standbein hat die Firma von 1992 an auch binokulare (für beide Augen) Lupenbrillen hergestellt, die für medizinische-technische Anwendungen vorgesehen sind. Chirurgen, Augenärzte, Uhrmacher, Graveure und Briefmarkensammler können Käufer dieser Produkte sein. Auch hier wird ein fernrohrähnliches System in ein Brillengestell gesetzt. Es kann sogar oben an einer herkömmlichen Brille befestigt werden, um es bei Bedarf vor die Augen zu klappen. Auch in diesem Segment hat Obrira sein Sortiment regelmäßig erweitert. Derzeit wird die vierte Generation der Lupenbrille entwickelt.
Eine Fernrohrlupenbrille wird nicht wirklich für das Sehen in die Ferne verwendet. Dafür reicht das Sehvermögen der Kunden nicht mehr. Es geht mehr darum, das Fernsehbild zu erkennen. Um auch in der Nähe, beispielsweise beim Schreiben, etwas sehen zu können, kann ein optischer Vorsatz hinzugefügt werden. Obrira stellt derzeit durchschnittlich 400 Fernrohrlupensysteme und 120 Lupenbrillen im Monat her. Über 50 Prozent der Fernrohrlupensysteme gehen in den Export, viel in die Niederlande, nach Österreich sowie Mittel- und Osteuropa. Die Lupenbrillen werden zum großen Teil in die Vereinigten Staaten exportiert.
Eine kritische Zeit erlebte das Unternehmen, als 2009 im Zuge der sogenannten Gesundheitsreformen die Entscheidung fiel, dass Krankenkassen Fernrohrlupenbrillen nicht mehr bezahlen. Obrira musste umstrukturiert werden und zog 2011 an seinen jetzigen Standort in der Jahnstraße 27 um. André Schwolow, der von Anfang an mit in der Firma war, übernahm allein die Geschäftsführung. Sein Vater Günter Schwolow, einst Gründungsgeschäftsführer, arbeitet aber weiterhin an verantwortlicher Stelle in der Firma mit. Bei der Gründung hatte Obrira fünf Beschäftigte, heute sind es acht. Günter Schwolow sagt: „Wir haben stabile Umsatzzahlen.“ Die Kosten seien den Erlösen angepasst worden, sodass die Firma eine solide wirtschaftliche Basis habe. Er geht davon aus, dass in der Sparte der Lupenbrillen bald mit Steigerungen zu rechnen ist. (Von Bernd Geske)